An(ge)dacht Dezember 2021

Mit folgenden Gedanken grüßt Sie
Pfarrerin Imke Pursche

 

Wann haben Sie zuletzt Ihre Fenster geputzt? Für die einen ist das eine lästige Aufgabe, mühselig und anstrengend zugleich. Andere erfüllt es mit Glückseligkeit. Das konnte ich bei einem Geburtstags-Besuch bei einer älteren Dame feststellen, die sich zwar freute über mein Kommen, aber als erstes sagte:

„Ich war so glücklich, jetzt endlich Zeit gefunden zu haben, meine Fenster zu putzen!“ Das verschob sie um ein halbes Stündchen meines Besuchs wegen. Und ich erfuhr, warum unter anderem sie das Fensterputzen so schätzte: Die Sonne schien an jener Stelle, an der sie am Nachmittag so gerne im Sessel saß , wunderbar durchs Fenster. Da käme ein Stück Freude in ihr Wohnzimmer, die seit sie allein lebte, ansonsten nicht so oft zu Gast wäre. Aber eben nur, wenn das Fenster ordentlich geputzt wäre! Durch ein Fenster kommt also herein, wovon wir ansonsten getrennt wären. Und auch andersherum funktioniert das: So oft sieht man Menschen:innen an einem Fenster stehen oder sitzen und hinausschauen. Weil dort etwas Spannendes zu sehen ist, weil gerade das Wetter nicht nach draußen lockt, weil nicht ausreichend Zeit für einen Spaziergang ist. Oder weil das Hinausgehen aus gesundheitlichen Gründen nur schwer oder gar nicht möglich ist. Ich sprach einmal einen Jungen, der ein dreiviertel Jahr mehr oder weniger im gleichen Zimmer im Krankenhaus verbringen musste. Der Junge war schwer krank gewesen und konnte nicht viel machen außer wach im Bett zu liegen. Seine einzige Verbindung zur Außenwelt war das Fenster, das ihm zwar immer denselben Ausschnitt bot, der sich aber durch die Jahreszeiten und im Tagesablauf durchaus veränderte. Dieser Blick nach draußen wäre zeitweise das einzige gewesen, was ihm vermittelt hätte, dass er am wirklichen Leben immer noch teilnahm.

Ein Fenster ermöglicht Verbindung zwischen drinnen und draußen, in beide Richtungen. Und interessant: Das Fenster selbst ist bei dieser Verbindung beteiligt, es ist nicht bloßes Medium. Im Fall des Jungen wird durch das Fenster der Ausschnitt definiert, den er zu sehen bekommt. Im Fall der älteren Dame macht es einen entscheidenden Unterschied, ob das Fenster geputzt ist oder nicht.

In dieser Adventszeit und in der Vorbereitung auf Weihnachten erinnert mich das an folgendes: An Weihnachten kommt etwas zusammen, was noch viel stärker getrennt ist als drinnen und draußen. An Heiligabend feiern wir, dass Gott und Erde zusammenkommen. Gott ist ewig, alles auf der Erde endlich. Gott ist Schöpfer, alles auf der Welt Geschöpf – das sind fundamentale Unterschiede, die noch um ein Vielfaches erweitert werden könnten. In Jesus Christus aber kommt Gott und die Welt zusammen. Er ist das Fenster, durch das hindurch wir Gott erfahren können. Und er bildet den Durchschlupf für Gott in unsere Welt hinein. Dabei ist Jesus eben nicht nur das bloße Medium, er spielt eine eigene Rolle in seiner Funktion als „Fenster“ zwischen Gott und Welt. Tatsächlich in ihm können wir ermessen, wie groß Gottes Liebe zu uns Menschen ist. Er bildet den Rahmen für dieses menschliche Erkennen von Gott. Und in der umgekehrten Richtung bekommt Gott in Jesus Christus etwas zu spüren von der menschlichen Verletzlichkeit, der menschlichen Angst und Verzweiflung, die Jesus im Garten Gethsemane etwa und am Kreuz empfindet. Aber auch etwas von der menschlichen Freude bei der Hochzeit zu Kana zum Beispiel, oder der menschlichen Hingabe, nämlich die der Hirten an der Krippe mit dem Jesuskind.

Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der HERR – so lautet der Monatsspruch für den Monat Dezember in diesem Jahr. Solche Fröhlichkeit, solche Freude wünsche ich Ihnen in der Adventszeit. Wenn Sie vielleicht aus dem Fenster schauen, etwas genießen, was durch das Fenster herein kommt, oder ein Fenster wie vorne auf dem Titelbild betrachten. Freue dich und sei fröhlich!