An(ge)dacht April 2023

Mit folgenden
 Gedanken grüßt Sie
 Pfarrerin
  Imke Pursche.

Foto: Neetz / Gemeindebrief.de

Monatsspruch April 2023:
Denn dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden,
um Herr zu sein über Lebende und Tote.
Römer 14,9

 

Lieber Leserin, lieber Leser,

vor einiger Zeit im Wiesengrund: An einen Sonntagnachmittag, bei schönem, sonnigen Winterwetter waren etliche Familien im Wiesengrund zum Spaziergang unterwegs. Auch Menschen mit ihren Hunden nutzten die Gelegenheit, sich selbst und ihren Tieren mit ein paar Sonnenstrahlen nach den langen nebligen Monaten etwas Gutes zu tun. Da erregte etwas neben dem Weg im Gras Liegendes die Aufmerksamkeit von zwei Kindern: Ein Vogel saß hier scheinbar hilflos im Gras, dünn und krank sah er aus. Andere Kinder wollten sich das Tier ebenfalls ansehen, die Eltern versuchten sie aus nachvollziehbaren Gründen zurückzuhalten. Doch es half nichts, die Sache war gar zu interessant. Bald hatte eine kleine Traube von Kindern den Vogel umringt. Da kam ein Mann mit einem frei laufenden Hund an seiner Seite des Wegs. Man konnte dem Hund förmlich ansehen, wie er Witterung aufnahm. Wie sich all seine Sinne auf diesen Vogel im Gras ausrichteten. Wie sein Instinkt seinen gesamten Körper zu diesem potentiellen Futter hinzog. Die erste kleine Bewegung aber, die der Hund weg von seinem Herrchen Richtung Vogel machte, reichte zu einem leisen aber deutlichen Wort des Mannes an ihn. Sofort war der Hund wieder an der Seite seines Halters, Augen und Ohren geradeaus auf den Weg ausgerichtet, und schon war die Gefahr für den Vogel vorübergegangen.

Abgesehen davon, dass dieser Hund sicher hätte angeleint sein müssen und Tiere trotz aller Erziehung immer noch Tiere bleiben, zeigte sich hier, dass der Hundehalter in diesem Moment vollkommene Kontrolle über sein Tier hatte. Er war wirklich Herr über diesen Hund.

Politisch und gesellschaftlich sind die Zeiten in vielen Teilen der Welt gottseidank vorbei, dass einer über den anderen oder viele herrschte. Die Demokratie hat sich als Staatsform an vielen Stellen durchgesetzt und auch in Krisen als handlungs- und widerstandsfähig erwiesen. Gleichzeitig beobachten wir immer wieder, dass Staatsoberhäupter ihre Macht missbrauchen oder dass in Demokratien der Ruf nach einem starken Mann hörbar wird. In der Kinder-Erziehung ist es weitgehend Konsens, dass Kinder ihren Eltern nicht blind wie Hunde ihrem Herrchen gehorchen sollen. Auch wenn das den Eltern im Wiesengrund in diesem Moment wohl recht gewesen wäre!

In der Bibel kommt das Wort „Herr“ über 500 Mal vor. Das hängt auf der einen Seite damit zusammen, dass der Gottesname im Alten Testament nicht genannt werden durfte und an die jeweilige Stelle das Wort „Herr“ dafür gesetzt wurde. Aber in Zeiten von Stammesoberhäuptern, Königen und Kaisern funktioniert der Gedanke natürlich noch viel besser, dass eben nicht diese menschlichen Herrscher die Herren über die Gläubigen sind, sondern ein ganz anderer. Schließlich wird auch Jesus mit diesem Titel angesprochen. Ganz klar wird hier damit gemacht: Es ist eben nicht der römische Kaiser, der über die Christen herrscht. Die politische und gesellschaftliche Dimension davon geht uns vielleicht heute beinah ganz verloren, weil wir kaum noch absolute Herrscher kennen. Abgesehen davon, dass das in anderen Teilen der Welt anders ist, auch bei uns noch nicht allzu lange her ist, könnten wir aber auch darüber nachdenken: Wer oder was beherrscht mich in meinem Leben? Wer oder was bringt mich dazu, so oder so zu handeln?

Unser Herr Jesus hängt auf dem Titelbild am Kreuz. Als ohnmächtiger Herr zeigt er sich hier. Als einer, der seine Macht alles andere als missbraucht. Er zeigt sich als Herr, dem seine Jünger freiwillig folgten. Und an Ostern feiern wir seine Herrlichkeit, den Sieg des Lebens über den Tod, Jesu Auferstehung. Ich glaube, Jesus ist der einzige Herr, dem ich mich als Christin vollkommen unterordnen möchte. Denn dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, um Herr zu sein über Lebende und Tote.

Ihre Pfarrerin Imke Pursche